Ein Wunder – Gott wird Mensch
Wenn Sie an Wunder glauben können, dann sind Sie dem Kern von Weihnachten ganz nahe: ein christliches Fest, dessen wahrer Inhalt in unserer heutigen Gesellschaft immer mehr verschwindet – leider.
«Weihnachten, das Fest der Liebe. Weihnachten, das Fest der Familie. Weihnachten, das Fest des Friedens.» –
Sicherlich finden Sie sich in einer dieser Vorstellungen von Weihnachten mehr oder weniger wieder.
Keine ist falsch, keine ist verwerflich, und für viele Christen ist in diesen drei Aussagen schon sehr viel von «Weihnachten» erfasst. Aber keine der drei Aussagen trifft den wahren Kern des Weihnachtsfestes.
«Gott wird Mensch, indem er die menschliche Natur, nicht aber einen einzelnen Menschen annahm», schreibt Dietrich Bonhoeffer. Die Weihnachtsbotschaft für alle Menschen lautet dann: Du bist angenommen. Deine Natur, dein Wesen, dein ganzes Leben ist angenommen. Alle meine Ängste, meine Nöte, Sorgen, Anfechtungen, Verzweiflung ist getragen von Jesus Christus. So ist er Heiland geworden. Es könnte auch heissen: In meine eigene seelische Armut hinein wird Gott geboren. In all meine Sorgen, Wunden, Ängste und Krankheiten hinein wird Gott geboren und verändert mich.
Meister Eckhart deutet das Weihnachtsgeschehen im 14. Jahrhundert als ein Ereignis, dessen geistige Bedeutung die leibliche bei weitem übersteigt. Nicht als etwas, das sich vor langer Zeit in Bethlehem abgespielt hat und damit abgeschlossen ist, sondern als einen Vorgang ohne Anfang und Ende. Die Geburt des Sohnes in der Gottheit ist ein Prozess, der sich immer wieder vollzieht und sich immer wieder neu vollziehen muss. Eine ewige Geburt, ein fortdauerndes Gebären und Entstehen. Was an Weihnachten geschieht, darf sich nicht in der Geburt Jesu erschöpfen. Wirksam wird es nur, wenn es sich im Menschen ereignet. In jedem einzelnen Menschen. Für Gott sei es wertvoller, in einer guten Seele geistig geboren zu werden als leiblich von der Jungfrau Maria, sagt er. Mehr noch: Wenn Gott nicht in der Seele des Menschen geboren werde, sei es, als ob er überhaupt nicht geboren werde.
Das Wunder von Weihnachten lässt mich hoffen, lieben, lachen, heilen und – lässt Wunder geschehen in mir und der Welt. Ich glaube an dieses Wunder. Im Glauben und mit dem Kern von Weihnachten im Herzen ist das möglich – im Kreise der Familie und in der Liebe. Wer den Konsum vermisst, sei beruhigt: Die Geburt Jesu, die wir an Weihnachten feiern, ist ein Geschenk, sogar ein wundervolles. Vor allem aber ein grosser Auftrag: Gott in unserer Seele Mensch werden zu lassen und sich auf den Frieden einzulassen, der in uns einkehrt, wenn wir an das Wunder von Weihnachten glauben – Gott wird in uns Mensch.
In diesem Sinne wünschen wir Pfarrpersonen Ihnen wundervolle Weihnachten. Wir wünschen Ihnen das Wunder, welches Sie erhoffen, ersehnen oder brauchen, damit es für Sie Weihnachten werde.
Ihre Pfrn. Julia Matucci-Gros