Die Kuhn-Orgel
Am 19. Mai 1943 brannte die Thalwiler Kirche. Bei diesem Brand wurde die Orgel, die 1913 von der Firma Goll Luzern gebaut worden war, völlig zerstört. Dank eines grosszügigen Legates von Dr. Wilhelm Dürsteler wurde bereits 1946 eine neue Orgel, gebaut von der Firma Kuhn in Männedorf mit 49 Registern und drei Transmissionen in der wieder aufgebauten Kirche eingeweiht. Der damals junge Organist Hans Vollenweider konnte seine persönlichen Wünsche in das Projekt einfliessen lassen. Die Orgel steht vorne im Kirchenschiff und besitzt ein offenes Gehäuse mit einem schlichten, eher nüchternen Prospekt. Die Kanzel ist in den Gesamtaufbau integriert.
Die Disposition der Orgel lehnt sich an das Vorbild des französischen Orgelbauers Cavaillé-Coll an und besitzt im wesentlichen sämtliche wichtigen Register dieses Typus. Aufgebaut in Hauptwerk, Positiv und Schwellwerk erlaubt sie eine gültige Interpretation der französisch- romantischen Orgelmusik, eignet sich aber dank heller Mixturen auch für Musik des Barock. Die Traktur ist mechanisch mit einer dazwischen geschalteten Barker- Maschine, was für das Jahr 1946 eine grosse Neuigkeit war. Vier freie Kombinationen, Zungen- und Mixturen-Absteller für jedes Manual sowie ein Crescendotritt wurden als pneumatische Registrierhilfen eingebaut (diese funktionieren bis zum heutigen Tag nach 60 Jahren ziemlich einwandfrei!) Die Orgel wurde Anfang der Fünfzigerjahre von vielen bekannten Persönlichkeiten aufgesucht. So spielte beispielsweise Anton Heiller auf diesem Instrument eine Schallplatte mit Werken von Bach ein.
Bekannte Organisten an dieser bedeutenden Orgel waren Hans Vollenweider und von 1970 bis 2010 Monika Henking. Seit April 2010 wirkt Gerda Dillmann. Mit einer regen liturgischen und konzertanten Tätigkeit nimmt dieses Instrument in der Kirchgemeinde einen wichtigen Stellenwert ein. Die Orgel wurde während der 60 Jahren ihres Bestehens nie wesentlich verändert und weist im Wesentlichen das originale Klangbild auf. Sie ist heute eine der wenigen Zeugnisse schweizerischen Orgelbaus aus jener Zeit mit einer hervorragenden Qualität und vielseitigster Verwendungsmöglichkeit.
Seit dem Wiedereinbau der Haas-Orgel von 1865 im Jahr 1992 auf der Westempore der Kirche, finden regelmässig Konzerte für zwei Orgeln statt. Diese Möglichkeit, mit zwei grossen Instrumenten im Dialog zu musizieren, gibt es wohl in ähnlicher Art an nur sehr wenigen Orten.
Disposition der Kuhn-Orgel:
I. Hauptwerk C - g '''
1. Principal 16 '
2. Quintatön 16 '
3. Principal 8 '
4. Hohlflöte 8 '
5. Gemshorn 8 '
6. Octav 4 '
7. Rohrflöte 4 '
8. Octav 2 '
9. Mixtur major 5-7f. 2 '
10. Mixtur minor 4f. 1 '
11. Cornet 5f. 8 '
12. Trompete 8 '
13. Clairon 4 ' II. Positiv C - g '''
1. Suavial 8 '
2. Gedackt 8 '
3. Quintatön 8 '
4. Principal 4 '
5. Ged.flöte 4 '
6. Waldflöte 2 '
7. Larigot 1 1/3 '
8. Sesquialtera 2f. 2 2/3 '
9. Mixtur 4f. 1 '
10. Zimbel 4f. 1/3 '
11. Krummhorn 8 '
III. Schwellwerk C - g '''
1. Gedackt 16 '
2. Principal 8 '
3. Rohrflöte 8 '
4. Salicional 8 '
5. Unda maris 8 '
6. Octav 4 '
7. Hohlflöte 4 '
8. Quinte 2 2/3 '
9. Nachthorn 2 '
10. Mixtur 4-6f. 1 1/3 '
11. Scharf 4f. 1/2 '
12. Trompette harmonique 8 '
13. Oboe 8 '
14. Clairon harmonique 4 '
Tremulant P. Pedal C - f '
1. Principalbass 16 '
2. Subbass 16 '
3. Gedacktbass  16 '
4. Principal 8 '
5. Spitzflöte 8 '
6. Gedackt  8 '
7. Octav 4 '
8. Gedackt  4 '
9. Rohrflöte 2 '
10. Mixtur 3f. 4 '
11. Mixtur 5f. 2 '
12. Posaune 16 '
13. Zinke 8 '
14. Corno 4 '
 Transmission aus Gedackt 16 ' Schwellwerk
Koppeln II-I, III-I, III-II, I-P, II-P, III-P
Traktur mechanisch mit Barker, Registratur pneumatisch
4 Freie Kombinationen A, B, C, D
Forte, Tutti, Einzel-Kombination D für jedes Manual und Pedal
Diverse Absteller
Crecendo- und Schwelltritt
Erbaut 1946 durch Orgelbau Th. Kuhn AG, Männedorf
Die Haas-Orgel
1865 Bau der ersten Orgel durch Friedrich Haas. Die heutige Disposition entspricht der Originaldisposition von Haas.
1902 Umfassende Erweiterungen durch Theodor Kuhn, Männedorf. Die
Disposition wurde erweitert, ein Tremulant und ein Schwellwerk
eingebaut, die mechanische durch eine pneumatische Traktur ersetzt und ein neuer Spieltisch erstellt.
1913-1914 erstellt Karl Goll, als Nachfolger von Haas, eine neue dreimanualige Orgel mit 40 Registern. Die Haas-Orgel wurde abgebaut, es wurden jedoch keine Teile davon in der neuen Orgel verwendet.
1914 Die alte Haas/Kuhn-Orgel wird von der Kath. Kirchgemeinde Bülach ZH gekauft. Beim Aufbau in Bülach wurde die Disposition nochmals erweitert.
1943 Ein Brand zerstört die Ref. Kirche in Thalwil bis auf die Grundmauern und auch die neue Goll-Orgel wird ein Raub der Flammen.
1946 In der wieder aufgebauten Kirche baut Kuhn eine neue Orgel mit 49 Registern.
1988 Die Kath. Kirchgemeinde Bülach entscheidet sich für eine neue Orgel.
Bei einer Untersuchung der alten "Bülcher" Orgel stellt sich heraus, dass es sich um die aus Thalwil stammende Haas-Orgel handelt. Die Ref. Kirchgemeinde Thalwil erklärte sich bereit, dieses Instrument wieder zu übernehmen und als zweite Orgel in der Ref. Kirche auf der Empore aufzubauen.
1989 Rekonstruktion des Zustandes von 1865 durch Thomas Itten, Sulz AG.
Da die meisten Originalteile, inkl. Gehäuse und Pfeifenmaterial, von Haas noch vorhanden waren, mussten nur die späteren Ergänzungen entfernt werden. Fehlende Teile wurden anhand der hinterlassenen und bei der Firma Goll noch vorhandenen Werkstattbücher und anderer Quellen rekonstruiert. Der Spieltisch wurde gemäss Gehäuseplan und Vorbildern von anderen Haas-Orgeln neu erstellt.
Ursprünglich stand die Orgel direkt an der Rückwand und ragte zum Teil in die Nische des mittleren Emporenfensters hinein. Da die neue Empore tiefer ist als die frühere, abgebrannte Empore, wurde die Orgel aus klanglichen Gründen weiter nach vorne gerückt. Um den ursprünglichen Klangcharakter unverfälscht zu erhalten, erhielt die Orgel eine Rückwand aus mineralischem Material und auch die Nische des Emporenfensters wurde in der Rückwand nachgebildet.
Bei dieser Orgel handelt es sich nach heutigem Wissen um das letzte von Haas gebaute Instrument und auch um die einzige Haas-Orgel, die in allen wesentlichen Teilen erhalten geblieben ist.
(Infos: Frau Monika Henking, Organistin, Thalwil)
(© - Orgelverzeichnis Schweiz) Die Friedrich-Haas-Orgel in der ref. Kirche Thalwil
Erbaut 1865 durch Friedrich Haas
Restauriert 1989-1992 durch Thomas Itten, Sulz/Laufenburg
Beratung Urs Fischer/Peter Baumgartner
I Manual C–f3
Bordun 16’ 1865
Principal 8’ 1865
Bordun 8’ 1865
Flöte 8’ 1865
Viola di Gamba 8’ 1841
Dolce 8’ 1865
Flöte 4’ 1865
Octave 4’ 1865
Octave 2’ 1865
Mixtur 1865
II Manual C-f3
Flöte 8’ Transmission
Viola di Gamba 8’ Transmission
Dolce 8’ Transmission
Flöte 4’ Transmission
Physharmonika 16’ neu
Physharmonika 8’ neu
Pedal C-c1
Subbass 16’ 1865
Flöte 8’ 1865
Violoncell 8’ neu
Trompete 8’ vor 1865
Pedal-Koppel, Calcanten-Wecker, Schwelltritt für Physharmonika, Winddruck 60 mm WS ,
Stimmtonhöhe 435 Hz, Kegelladen, separate Laden für die beiden Physharmonikas, Mechanische Spiel- und Registertraktur.