Petra Steiner

Was Polizeiarbeit mit Seelsorge verbindet

23-04_leitartikel (Foto: Kantonspolizei Zürich)

Gebannt höre ich während eines Vernetzungstreffens der Suizidprävention im Kanton Zürich dem Vortrag des technischen Leiters der Verhandlungsgruppe der Kapo zu.
Je tiefer Marco Schnyder uns in die anspruchsvolle Arbeit der Verhandlungsführung einführt, desto deutlicher spüre ich die seelsorgliche Dimension eines solchen Einsatzes heraus. Bei Geiselnahmen, Entführungen oder in Suizid- oder Amoklagen rücken Teams der Verhandlungsgruppe aus:

Während jedes ihrer Worte zählt, die sie buchstäblich von Du zu Du mit ihrem Gegenüber tauscht, braucht eine Verhandlungsführerin einen verlässlichen Partner an ihrer Seite, der gleichzeitig auf Sicherheit, Witterung und die übrigen Ereignisse achtet, und im Hintergrund weitere Teams im Einsatzwagen und in der Polizeizentrale. In der Seelsorge sind wir in einer Kirchgemeinde nicht gerade denselben Gefahren ausgesetzt.

Doch sind die Situationen häufig wie bei einem Polizeieinsatz «ungewollt und oft überraschend», «emotional», «hochspannungsgeladen», «dynamisch » und «aussergewöhnlich », wie Schnyder in seinem Vortrag erläutert. Doch worauf am meisten zu achten sei, bevor es zur «Einflussnahme» kommt, die eine effektive «Verhaltensänderung» herbeizuführen vermag, sei der Faktor Zeit. Manche Gesprächsleitende der Verhandlungsgruppe werden von ihren Polizeikolleginnen und Kollegen gedrängt, «fürschi z’mache». Und gerade das gehe nicht! Denn «essentiell » gehöre zum Basisverhalten das «aktive Zuhören». Darauf aufbauend sei erst die «Bereitschaft und Fähigkeit» zur «Empathie» möglich und im Anschluss daran so etwas wie «Beziehung», die wiederum die Voraussetzung sei für die nächste Kommunikationsstufe, eine gegenseitig erfahrene «Wertschätzung und Verständnis».

So weit, möchte man mit Ironie sagen, ist es mit unserer Polizei nun schon gekommen! Oder ernsthafter: So sehr beginnen Berufe einander zu gleichen, bei denen es offenbar «essentiell» auf Kommunikation bzw. «aktives Zuhören » ankommt. Spannend ist nun die Frage, was an oberster Stelle der Kommunikationspyramide in der Seelsorge steht: «Einflussnahme» und «Verhaltensbeeinflussung» wie bei einem Polizeieinsatz? Ja, durchaus, aber nicht so sehr durch die Seelsorgerin selbst, als vielmehr durch die innere Sicherheit, die Gottes Anwesenheit in ihr auszulösen vermag. Analog zu einem Polizeieinsatz beruht der Erfolg eines Seelsorgegesprächs also auf der Arbeit des «ganzen Teams», wozu die seelsorglich begleitete Person dazugehört, die sich – für sie selbst überraschend – auf eine ihren akuten Konflikt lösende Dynamik hat einlassen können. Im Kurs «Seelsorge aus erster Hand» wird diese Art von Gesprächsführung an vier Abenden im März und April trainiert.
Pfarrer Arend Hoyer
Bereitgestellt: 19.04.2023      
aktualisiert mit kirchenweb.ch
Datenschutz
Impressum