Vertrag mit einer Ratte – Gedanken zum Frieden
In seinem Märchen, der «Geschichte von der verbesserten Ratte», beschreibt Hans Fallada den Versuch einer Ratte, Frieden mit den Menschen zu schliessen.
Auf einem Bauernhof beschliesst diese friedensmotivierte Ratte, die Menschen dazu zu bewegen, ihr nicht mehr mit Fallen und Gift nachzustellen. Zudem soll ihr ein warmer Platz und regelmässiges Futter im Bauernhaus gewährt werden – so wie den anderen Haustieren. Im Gegenzug wolle die Ratte aufhören, Lebensmittel zu stehlen und die Ferkel anzunagen.
Die Menschen gehen auf den Handel ein, eine Probezeit wird vereinbart. Natürlich funktioniert das Arrangement am Ende nicht, die Erwartungs-Horizonte sind zu verschieden. Die Ratte beurteilt die Kosten-Nutzen-Relation ganz anders als die Bauernfamilie. Die erwartete Gegenleistung kümmert sie wenig, die Vögel würden ja auch von den Bauern gefüttert, ohne offensichtliche Gegenleistung. Die Bauernfamilie nimmt die Ratte zunehmend als Schmarotzer wahr, die Ersparnis von Aufwand für Fallen und Gift sieht sie nicht.
Dieses Märchen zeigt allegorisch, was es bedeutet, sich anzunähern, Frieden zu wagen und wie viele Stolpersteine und Fallen auf diesem Wege liegen. Die Vorstellungen und Werte beider Parteien müssen klar und eindeutig besprochen und synchronisiert werden – bis ins Detail der Durchführung. Das ist harte Arbeit und diese zu unterschätzen, führt unweigerlich zum Scheitern. Beide Seiten müssen zur Gestaltung einer «Win-Win-Situation» bereit sein. Kommunikation, Empathie für die Bedürfnisse der anderen und nicht zuletzt der Wille zu einem gegenseitigen Mass an Toleranz gehören zuerst dazu – eben nicht die Sicht auf den eigenen Vorteil allein. Letzteres führt zu Mistrauen und birgt den Keim der Übervorteilung in sich.
Ingo Titschack, Kirchenpfleger