«Solus Christus»
«Solus Christus» – der wegweisende Akzent der Disputation 1523 | Am 29. Januar 1523 fand in Zürich die erste Disputation statt. Über 600 Menschen erlebten, wie Magister Zwingli in 67 Artikeln seine Predigten gegen die Anklagen der Altgläubigen verteidigte. Der Zürcher Rat fasste damals den Beschluss: Die freie evangelische Predigt solle nach dem Vorbild Zwinglis für die ganze Geistlichkeit gelten.
Huldrych Zwingli, seit 1519 Leutpriester am Grossmünster, wurde somit am Tag des Streitgesprächs freigesprochen. Weitere Reformschritte konnten nun angegangen werden. Das geschah erstaunlich schnell und zielgerichtet. Viele Priester, so auch Zwingli, heirateten. Im Grossmünsterstift wurde mit der sogenannten «Prophezey» eine theologische Schule eingerichtet, Klöster wurden aufgehoben, das Kirchengut säkularisiert, und mit der Armenordnung von 1525 entstand eine griffige Umsetzung sozialer und institutioneller Fürsorge. In seinen 67 Artikeln beruft sich Zwingli auf die beiden Leitworte «solus Christus» und «sola scriptura». Massgebend ist für den Glauben, was sich aus der Schrift belegen lässt.
Herrscht Unstimmigkeit, soll man sich durch die Heilige Schrift eines Besseren belehren lassen. Diese Haltung bedeutet
eine Offenheit für das Gespräch und das gemeinsame Nachdenken. Wenn die Bibel die einzige Autorität ist, so ist Christus das Zentrum. Im Artikel 14 heisst es: «Darum sollen die Christen ihren grössten Einsatz dafür leisten, dass überall nur das Evangelium von Christus gepredigt wird.» Denn Er ist der einzige Weg zur Seligkeit, alleiniges Haupt der Gläubigen – und die Getauften sind seine Glieder und Kinder Gottes. Die Kernbotschaft des Evangeliums lautet für den, der glaubt: In Jesus Christus, dem wahren Gottessohn, hat Gott uns seinen Willen mitgeteilt und für uns den Tod durch Leben überwunden.
Das «solus Christus», bei Zwingli stark akzentuiert, hat die reformierte Theologie und Kirche geprägt und bleibt wesentliches Leitwort. Reformiert heisst nebst weiteren Charakterisierungen zunächst vor allem eines, nämlich christlich. In Christus allein erkennen wir, wie Gott ist und was er in uns und mit uns wirken will.
Was können wir von der Disputation für den Gemeindealltag heute übernehmen? Die Aussage «ich bin reformiert » oder «ich gehöre zur reformierten Kirche» klingt manchmal etwas gar formal. Wichtig wäre es, inhaltlich miteinander ins Gespräch zu kommen, was es für jeden und jede von uns bedeutet, Christ bzw. Christin zu sein. Wie verstehen wir heute «christlich»? Wie leben, denken, gestalten wir es im täglichen Leben? Darüber sollten wir oft und lustvoll reden und disputieren. Es hilft, Fragen oder Zweifel zu klären und brennende Themen des Lebens und Glaubens zu benennen. Ich wage die These: Wo intensiver über das auf dem «solus Christus» begründeten Christsein geredet und disputiert wird, da werden die Predigten freier und evangelischer.
Pfr. Jürg-Markus Meier